»Wohin mit dem Clipmikro?«

»Kult am Pult«, eine Tontechnik-Kolumne von Michael Bernhard

Immer wieder stellt sich (mir) die Frage, wie das Clipmikro am Instrument gut posi­tioniert wird. Es gibt – wie so oft – kein Patentrezept, kein richtig oder falsch. Man sollte sich lediglich bewusst sein, dass die Positionierung jedes Mikrofons eine starke Auswirkung auf den Klang hat. Beim Clipmikro kommen dabei mehrere Effekte zusammen, da prinzipbedingt, aufgrund des mechanischen Aufbaus, Position und Richtung der Kapsel nicht komplett unabhängig einstellbar sind.

Je nach Instrument sollte man sich Gedanken machen, in welche Richtung welcher Sound abgestrahlt wird. Das ist bei Blechbläsern noch relativ einfach, da ein Großteil des Klangs allein aus dem Schallbecher kommt. Trotzdem gibt es für unterschiedliche Frequenzen unterschiedliche Vorzugsrichtungen (bestimmte Frequenzen werden zum Beispiel an der Schallbecherkante gebeugt), ebenso wie für charakteristische Formanten und (unerwünschte) Nebengeräusche. Formanten sind bauartbedingte Resonanzen, die zusammen mit dem Obertonverhalten den Klang des Instruments ausmachen. Der Tonmeister Eberhard Sengpiel hat auf seiner Website ein schönes PDF erstellt. 

www.sengpielaudio.com/FormantenPraegenDieKlangfarbe.pdf

Durch geschickte Positionierung des Mikrofons kann eine Überbetonung dieser Formanten verhindert werden. Nebenbei möchte ich zum Surfen durchs Web speziell erwähnte Seite anregen. Ich lerne jedes Mal Neues, wenn ich dort »vorbeikomme«.

Zielen über den Becher eines Altsax zur Abdeckung des ganzen Tonbereichs
ergibt einen ausgewogenen, eher mittigeren Klang. Wird mehr Richtung Becher
gezielt, ergibt sich ein fetterer und aggressiverer Sound. Ausprobieren!
Foto: Michael Bernhard

Gerade bei Holzbläsern kommt hinzu, dass der Klang, je nach gespieltem Ton, an unterschiedlichen Punkten des ­Instruments und in unterschiedlichen Richtungen unterschiedlich ausgeprägt ist. Vereinfacht gesagt, kommt der lauteste Teil aus dem zum Mundstück am nächsten offenen Loch. Ein zu nah positioniertes Mikrofon betont also bestimmte Töne besonders.

Gleichzeitig gibt es bei jedem Instrument Nebengeräusche: Strömungs-/Luftgeräusche, Atemgeräusche, Klappern der Mechanik, Rumpeln der Maschine. Manche davon werden auch als Körperschall, also nicht durch die Luft auf ein Clipmikro übertragen. Das ist ein grundsätzlicher Nachteil und deshalb ist ein Qualitätsmerkmal von Clips, eben dafür unempfindlich zu sein. Hat man damit Probleme, kann eine Umpositionierung der Klammer bedingt weiterhelfen.

Ein Vorteil eines Clips ist, dass der Abstand immer gleich bleibt (was aber auch als Nachteil ausgelegt werden kann) und so ein zumindest gleichbleibender Klang garantiert ist. Bei leichteren Instrumenten wirkt sich jedoch das Gewicht des Mikrofons und dessen Kabel auf die Balance aus und kann das Handling erschweren, zum Beispiel das Einsetzen und Entfernen von Dämpfern. Weiterhin kann auch das Kabel für ein unbeschwertes Spiel oder den Blick aufs Notenpult im Weg sein. Weitere Punkte, die in die Kompromissfindung einfließen.

Eigenbau Halter am Sopransax: Das Mikrofon ist weiter weg für ein neutraleres Klangbild über (fast) den ganzen Tonbereich. Foto: Michael Bernhard

Bisher ging es um »lauter rund um Instrument und Bläser«, aber auch fürs Mikrofon selbst gilt, dass es je nach bespielter Richtung und je nach Abstand unterschiedlich klingt. Meistens haben Clips Nieren- oder Supernierencharakteristik. Dazu gab es schon mal einen Artikel, darum hier nur kurz zusammengefasst: Mikrofone mit eben diesen Richtcharakteristika sind nach vorn besonders empfindlich und nehmen nach hinten oder schräg hinten leiser auf. Weiter sind diese Richtwirkungen auch über die Frequenz unterschiedlich, was dazu führt, dass ein Mikrofon seitlich angespielt anders klingt als von vorn angespielt, ebenfalls ein Qualitätsmerkmal, dass dieses Verhalten möglichst schwach ausgeprägt ist.


Viel wichtiger jedoch: Durch die Richtwirkung ergibt sich ein Naheffekt – fälschlicherweise oft als Nahbesprechungseffekt bezeichnet. Dieser Naheffekt bewirkt, wiederum vereinfacht, dass nahe Schallquellen dumpfer wiedergegeben werden als ferne. Wichtig ist: Dieser Naheffekt ist so ausgeprägt, dass er die Möglichkeiten einer Klangregelung im Mischpult oft übersteigt, sollte also auch ausgenutzt werden. Um einen dumpfen Klang beim Spiel mit Dämpfer zu erreichen, spielen Trompeter oft »auf Kontakt« mit dem Mikrofon, so nah dran wie möglich. Das geht auch mit Clipmikro: »Mikro rausklappen, Dämpfer rein, Mikro ganz nah an Dämpfer« kann aber im entscheidenden Moment (zu) lange dauern. Für gewisse Musikstile ist dieser unnatürliche Sound prägend, für andere ungewollt. Man muss wissen, was man erreichen möchte.

»Clip weit rein« ist die Devise an der Tuba. So wird der Naheffekt ausgenutzt und der Grundtonbereich betont. Bei anderen Blechinstrumenten bevorzuge ich eine neutral klingendere Position weiter weg und über den Schallbecher zielend. Foto: Michael Bernhard

Je näher man ein Mikrofon bespielt, desto lauter wird auch das Signal und desto besser wird das Verhältnis der ab­genommenen Schallquelle zu unerwünschten Schallquellen, anderen Instrumenten, Geräuschen von Publikum und Beschallung. Auf den Signal-to-Noise Artikel, meinen Einstand in diese Serie (Ausgabe 3/2022), seien geneigte Leser nochmals gern verwiesen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Rückkopplungsfreiheit. Je »näher dran«, desto lauter bekommt man das Ins­trument übertragen. Inklusive aller genannter Nachteile.

Ich kann also keine generelle Empfehlung aussprechen. Schaut euch ab, wie es andere machen. Ich habe euch dazu einige Bilder gemacht. Diese sind bei den Konzerten von »Hugo 4.0« und bei der »Kapelle der Kapellmeister« entstanden – Danke für die Unterstützung. Grundsätzlich gilt: je näher dran, desto lauter und dumpfer und je nach Position überbetonter. Je weiter weg, desto leiser (meist kein Nachteil – da insgesamt immer noch sehr nah mikrofoniert), neutraler und schlanker der Sound. τ

Michael Bernhard

www.bemi.net

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Betreff: »Tontechnik«

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