Notenbesprechung: »Rosalie«

František Maňas

2024 ist das 25. Todesjahr von Ernst Mosch. Kein anderer hat die böhmische Musik so geprägt wie er. Die Qualität und das Niveau seiner Werke hat er während seiner Karriere auf ein konzertant professionelles Niveau gehoben. Aus den zahlreichen Notensätzen seines Verlages möchten wir in den kommenden Ausgaben einige weniger bekannte vorstellen. Der Walzer »Rosalie« von František Maňas bildet den Anfang.

Dass die Walzer von Ernst Moschs Egerländer Musikanten eine ganz besondere musikalische und teilweise melancholische Intensität besitzen, ist den meisten Fans sicherlich schon bekannt. Man denke nur an Geniestreiche wie den »Jasmin Walzer«, »Ein Abend am Meer« oder den »Böhmischen Wind«. Nach wie vor gibt es im Repertoire der Egerländer Musikanten unzählige Schätze, die heute kaum noch gespielt werden oder sogar gänzlich vergessen sind. »Rosalie« ist einer dieser unbekannteren Juwelen. František Maňas geht in seiner Komposition einige unkonventionelle Wege. Die Wirkung, die er damit erzielt, ist jedoch enorm. In klingend C-Dur beginnt der Walzer. Die Tenöre spielen lange Noten. Die getragene Melodie ist einstimmig. Zuerst geht es vier Takte nach oben – der Höhepunkt der ersten Phrase ist der höchste Ton. Eine ganz klassische Komposi­tionsweise. Der nächste Teil der Phrase geht nach unten. Auch hier verwendet Maňas traditionelle Frage-Antwort-Motive. Er moduliert vom Dominantseptakkord G-Dur zu d-Moll, A-Dur und wieder zurück. Die Melodie geht bei A-Dur in die Terz Cis, was sich wie ein Vorhalt anhört. Denn der nächste Ton ist dann das D in d-Moll. Einfach großartig!

Die nächste Phrase wird zweistimmig im Forte gespielt. Die Melodie spielt mit langen Noten nach oben, während die Tuben – ebenfalls mit langen Noten – chromatisch nach unten spielen. C-Dur, E-Dur, B vermindert, A-Dur, d-Moll und Fis vermindert. Danach moduliert er noch mal mit starken Akkorden, bis er schließlich am Ende der Phrase zurück zur Tonika C-Dur kommt. Die Kraft und Energie, die während diesen 16 Takten entsteht, hinterlässt ein starkes, melancholisches Gefühl.

Nun beginnt das Trio. Im Normalfall wird ein Trio eine Quarte höher geschrieben. Doch nicht hier. Maňas geht eine große Terz abwärts nach As-Dur. Die Einleitung moduliert von C-Dur nach B-Moll mit Septe zu Es-Dur mit Septe und schließlich zur neuen Tonika As-Dur. Simpel, aber effektiv. Und es wirkt – wie das ganze Stück – intensiv und fast schon wehmütig.

Das Trio ist charakterlich etwas leichter als der Anfang. Die Melodie ist bestückt mit wunderbaren Vorhalten. Rhythmisch bewegt sie sich fast ausschließlich in Halben und Vierteln. Harmonisch bleibt es auch ruhig. Die Vorhalte stehen klar im Vordergrund.

Der B-Teil des Trios bleibt im selben Stil. Er ist einfach eine neue Melodie, welche die vorherige ergänzt und sinnvoll weiterführt. Ein Tutti, dann wird das komplette Trio wiederholt und mit zwei Staccato-Vierteln ist der Walzer zu Ende.

Die musikalische Stärke, die »Rosalie« vom ersten bis zum letzten Takt vermittelt, geht tief ins Herz und lässt mich nach jedem Durchhören verträumt und in Gedanken schwelgend zurück.

Der Walzer ist trotz seiner komplexen Kompositionsweise relativ einfach zu spielen. Die intensive Melodieführung bietet sich geradezu an, »Rosalie« künftig wieder mehr in Konzertprogrammen zu integrieren.

Ein wunderschöner Walzer mit ­Potenzial zum Träumen.

Christian Schick

Nach oben scrollen